Adventskalender #8

Huhu ihr Lieben,

heute zwar etwas später als gewohnt, aber das 8. Türchen ist bereit für euch.

Es gibt wieder zwei Leseproben für euch.

Ramonas macht den Anfang:

Textpassage Eve

Es war bereits vier Wochen her, dass Grace ihn mir überschrieben hatte. Daraufhin hatte sie mich noch zwei Wochen eingearbeitet und meinte dann nur noch, dass sie eine Weltreise gebucht habe. Weg war sie. Ihre letzte Tätigkeit war, mir einen Blumenlieferanten zu suchen, der, wie sie es ausdrückte, meinen Ansprüchen gerecht werden würde. Was auch immer sie damit meinte. Grace hatte bereits einige Gespräche mit ihm geführt und die Bestellungen rausgegeben. Heute sollte die erste Lieferung durch ihn erfolgen. Ich war gespannt, ob er auch so zuverlässig wäre wie Jakob. Mit Jakob war ich eigentlich immer sehr zufrieden. Er war etwas über sechzig Jahre alt, sehr nett, pünktlich, zuverlässig und belieferte das Geschäft nun bereits seit fünfundzwanzig Jahren. Nun gut, ich wollte mir nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen, warum und weshalb Grace ihn durch einen anderen Lieferanten ersetzt hatte. Gerade als ich dabei war, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, hörte ich draußen ein lautes Krachen. Diesem Krachen folgte eine Reihe derber Flüche. Neugierig, wie ich halt war, lief ich in Richtung des Lärms. Vorsichtig schaute ich über die Glasfront hinaus. Was ich da sah, brachte mich zum Verzweifeln. Am

Straßenrand parkend stand der Lieferwagen des neuen Lieferanten und überall auf der Straße verteilt, lagen meine bestellten Blumen. Ich konnte es nicht glauben. Was hatte Grace sich dabei gedacht, mir solch einen Trampel zu besorgen? Ich rannte wutentbrannt nach draußen. »Was machen Sie denn da? Meine schönen Blumen. Das kann doch nicht wahr sein!« Den Tränen nahe sah ich den Lieferanten an. Dieser stand wie ein kleiner Junge vor mir. Man sah ihm genau an, dass er nach den richtigen Worten suchte. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck von unsicher zu frech. Mit einem verschmitzten Gesicht reichte er mir die Hand und stellte sich mir vor: »Ah … ähm Frau Martens, richtig? Ja, die Blumen hatten das Verlangen, noch etwas Auslauf zu erhalten, bevor sie in die engen Vasen gesteckt werden. Aber ich sammle jetzt alle wieder ein. Ich denke, die haben nun genug Auslauf gehabt!« Kaum ausgesprochen, ließ er meine Hand los, sammelte die Blumen sorgsam ein und trug sie in meinen Laden. Während das alles geschah, stand ich wie angewurzelt da, mit offenem Mund und war sprachlos. Ist das eben wirklich passiert? Will der mich auf den Arm nehmen?

Textpassage Tom

Gerade noch darüber nachgedacht, wie ich den Tag überstehen sollte, traf mich die Begegnung mit Eve Martens wie ein Schlag. Schlimmer konnte es eigentlich nicht kommen. Man sollte wirklich an solchen Tagen die Arbeit stehen und liegen lassen und wieder zurück ins Bett huschen. Gut, dass mir gerade bei dieser Lieferung die komplette Bestellung vom Transporter fallen musste, war nicht gerade geschickt, aber es war passiert und ich dachte eigentlich, dass ich mich gut aus der Situation gerettet hätte. Wobei ich die Reaktion von ihr schon

etwas übertrieben fand. Den Blumen war nichts passiert. Nicht ein Blättlein ging verloren und das sollte doch das Wichtigste sein, aber nein, da machte Madame so ein Fass auf. Mir war ganz anders, als sie so wutentbrannt vor mir stand. Ihr eigentlich sehr liebliches Gesicht war vor Wut so verzerrt, dass man Angst bekommen musste, und im ersten Moment war mir nicht klar, wie ich reagieren sollte. Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge, der beim Stehlen erwischt worden war. Diese Unbeholfenheit kannte ich so eigentlich nicht von mir, aber irgendwie hatte diese Frau es geschafft, mich nervös und zugleich unbeholfen zu machen. Vielleicht lag es daran, dass ich ihr solch einen Zorn niemals zugetraut hätte. Aber Grace hatte mir schon gesagt, dass es nicht leicht werden würde mit Eve. Grace war die Lebensgefährtin von meinem Onkel Jakob. Er war etwas über fünfundzwanzig Jahre lang ihr Lieferant gewesen und irgendwann entstand mehr daraus. Seit etwa einem Jahr waren sie ein Paar und ich war froh darüber. Zu lange hatten beide nur für ihre Arbeit gelebt. Ja, und nun hatten sie sich gemeinsam auf Weltreise begeben. Mein Onkel meinte eines Morgens nur, dass er es satt hätte, nur fürs Arbeiten zu leben. Es wäre nun an der Zeit, die Firma aufzugeben, so seine Worte. Er überschrieb mir dann seinen kompletten Kundenstamm und zog sich vollständig aus dem Arbeitsleben zurück. Leisten konnte er es sich, Jahre hatte er gearbeitet, war nie im Urlaub gewesen und hatte jeden Cent gespart. Nun war es an der Zeit, zu leben!

Aus irgendwelchen Gründen wollte Grace Eve davon nichts erzählen. Sie meinte nur, dass sie ein schlechtes Gewissen hätte, wenn Eve mitbekommen würde, dass sie glücklich wäre. Merkwürdig, welcher Mensch freute sich denn nicht für den anderen, wenn dieser Glück im Leben hatte. Man könnte meinen, Eve Martens wäre eine besitzergreifende und neidzerfressene Person. Aber als ich Grace meine Meinung dazu sagte, erzählte sie mir die gesamte Lebensgeschichte von Eve. Danach konnte ich einiges etwas besser nachvollziehen. Als die Reise der beiden gebucht war, kamen sie mit der Bitte zu mir, dass ich mich um Eve kümmern sollte. Ja, so kam es dazu, dass ich der Lieferant von Eves Blumenladen geworden bin. Anfangs nicht gerade begeistert darüber, Babysitter für jemanden zu spielen, sagte ich dann doch zu. Ich konnte meinem Onkel diesen Wunsch nicht abschlagen, denn ich wusste, wozu es führen würde. Grace würde Eve niemals alleine lassen und nur unter der Voraussetzung, dass ich mich um sie kümmern würde, buchte sie schließlich die Reise. Ich begann, Eve heimlich zu beobachten, und nahm es mir zur Aufgabe, mehr über diese geheimnisvolle Person zu erfahren. Ich wollte einfach vorbereitet sein auf die erste Begegnung, aber der Schuss ging wohl eher nach hinten los. Täglich musste ich Grace darüber informieren, wie es Eve ging. Tja, was sollte ich nach solch einem Start heute schreiben? Sicherlich wäre sie nicht erfreut, zu hören, dass ich gleich zu Beginn einen schlechten Eindruck bei Eve hinterlassen hatte.

Jetzt Jennifer:

Kapitel 1

»Los, los, Kinder.
Raus mit euch!«, Mrs Millers Stimme dröhnte aus den Lautsprechern
des Busses und trieb die jungen Menschen vor mir gnadenlos zur Eile.
Ich warf einen Blick auf die Person auf dem Sitz neben mir, und
beobachtete für einen kurzen Augenblick meine beste Freundin Nele,
die seelenruhig weiterschlummerte. Auch als ich sie anstupste,
reagierte sie kaum. Dennoch musste ich es weiter versuchen, denn Mrs
Miller war leicht reizbar. »Nel! Verdammt, werd wach und schnapp dir
deine Tasche«, zischte ich leise, doch sie rührte sich nicht. »Nel
…«, setzte ich abermals an, wurde jedoch von Mrs Miller
unterbrochen.

»Ms Johnsen, würden
Sie bitte aufstehen und den Bus verlassen? Wir haben nicht den ganzen
Tag Zeit.«

Wie von der Tarantel
gestochen schoss meine beste Freundin in ihrem Sitz hoch, schnappte
sich ihre Tasche und verließ den Bus, ohne mich anzusehen.
Kopfschüttelnd nahm ich meine eigene Tasche, hing sie mir über die
Schulter und folgte ihr nach draußen.

Als ich aus dem Bus
trat, umfing mich sofort die beruhigende Atmosphäre des Waldes. Im
Gegensatz zu der Stadt, in der wir lebten, war es hier totenstill –
keine Autos, kein Gehupe, einfach das pure Nichts. Lediglich das
Gekreische der Jungen und Mädchen um mich herum störte die
Harmonie, ebenso wie der laufende Motor des Reisebusses, der seine
Abgase in die Natur stieß. Doch dieser würde bald verschwinden.

Ich atmete tief aus
und gab mir Mühe, alles um mich herum so weit auszublenden, dass ich
nur noch die Geräusche des Waldes wahrnahm. Dann ging ich zu Nele
und stellte mich neben sie.

»Warum hast du mich
nicht geweckt?« Sie rammte mir ihren Ellenbogen in die Seite, kaum
dass ich neben ihr zum Stehen kam. Ich zuckte bloß mit den Schultern
und ignoriere ihre bissige Ader, die gerade wieder einmal in vollem
Ausmaß in Erscheinung trat. Es war sinnlos, in solchen Situationen
mit ihr zu diskutieren, denn das würde sie nur weiter anstacheln.
Genau das hatte ich in den letzten zehn Jahren unserer Freundschaft
gelernt. Nele war stur, rechthaberisch und trotz ihres glamourösen
Auftretens ein richtiger Trampel. Dennoch war sie meine beste
Freundin und ich liebte sie wie eine Schwester.

»Anna, Mensch!
Schau doch mal, wer wieder da ist!«

Ich kniff die Augen
zusammen. Wieder stieß sie ihren Ellenbogen in meine Richtung, doch
dieses Mal fing ich ihn ab, ehe sie mich treffen konnte. »Lass den
Scheiß, klar? Ich bin nicht aus Stein. Sag mir lieber, wen du
meinst?«, sagte ich so leise wie möglich, denn Mrs Miller hielt
wieder ihre berühmte Willkommen im Camp-Rede, bei der sie unter gar
keinen Umständen unterbrochen werden sollte.

Nele deutete auf
einige Jungs, die etwas abseits der Menge zusammenstanden, und ich
folgte ihrem Fingerzeig. »Da sind Thomas und Matthew.«

Wieder zuckte ich
mit den Schultern. Jungs interessierten mich nicht. Jedes Mädchen in
unserer Schule hatte bereits einen festen Freund, nur mich ließ das
andere Geschlecht vollkommen kalt. Nele war im Gegensatz zu mir ein
wahrer Magnet, was Jungs betraf. Mit ihrem langen hellbraunen Haar
und den braunen Augen verkörperte sie alles, was sie benötigte, um
als klassische texanische Südstaaten-Schönheit durchzugehen. Ihre
Klamotten waren immer vom Feinsten und ungeschminkt verließ sie erst
gar nicht das Haus. So war es schon damals gewesen, als wir uns vor
zehn Jahren hier im Camp kennengelernt hatten.

Die damals
achtjährige Nele wurde wegen ihrer Designergummistiefel gehänselt,
und als sie weinend in ihrem Zelt verschwand, war ich ihr gefolgt.
Ich hatte ihr einen meiner Discounterstiefel gegeben und mir dafür
einen von ihr über den Fuß gezogen. Von diesem Tage an waren wir
beide unzertrennlich. Dass wir in derselben Stadt wohnten, erfuhren
wir erst nach dem Camp, und dass wir dieselbe Schule besuchten, war
auch mehr als ein glücklicher Zufall.

»Ms Kerrigan und Ms
Johnsen, ihr beide bezieht wie im letzten Jahr Hütte Nummer vier.«

»Yes!«, stieß
Nele siegreich hervor und streckte mir ihre hochgehaltene Hand
entgegen. »Ghettofaust, meine Liebe, Ghettofaust!«

Grinsend schlug ich
ein. Dabei passte Ghettofaust so gar nicht zu Neles kecker Art.

»Komm, wir holen
uns unser restliches Gepäck.« Schon hatte sie mich gepackt und zum
Bus geschleift, vor dem unsere Koffer und Reisetaschen nebeneinander
standen. Zielsicher griff ich nach meiner blauen verschlissenen und
uralten Reisetasche, und auch Nele fand Kleiderschrank ausnahmsweise
gleich auf Anhieb. Manche Dinge änderten sich eben nie. Wie in den
vergangenen Jahren wunderte ich mich darüber, wie viele Klamotten
sie mitschleppte. Ihr Reisekoffer wurde von mir daher liebevoll
Kleiderschrank genannt.

Während sich Nele
abmühte, ihr Hab und Gut durch die Massen von Jungen und Mädchen zu
ziehen, sah ich mich nach unserer Hütte um.

Das Camp befand sich
etwa drei Stunden nordöstlich von Dallas am Rand des Ouachita
National Forest im Zentrum des Bundesstaates Arkansas. Der typische
Kiefern-Eichen-Wald war rund um das Camp so dicht bewachsen, dass die
Sonne kaum eine Chance hatte, durch die dichten Kronen hindurch zu
brechen. Die einzige Lichtung befand sich dort, wo unsere Hütten
standen. Als das Camp vor mehreren Jahren errichtet wurde, waren die
hochgewachsenen Kiefern gefällt und damit für uns Jugendliche ein
Ort gezaubert worden, an dem wir uns wohlfühlen konnten. Zwölf
gemütliche Holzhütten und die große Gemeinschaftshütte sorgten
dafür, dass die Vegetation rund um das Camp weiterhin ihren
natürlichen Gang nehmen konnte. Vom ersten Tag an hatte ich mich
hier wohl gefühlt und schon nach meinem ersten Sommer im Camp hatte
ich gewusst, dass es nicht der letzte sein würde.

Morgen gibt es dann das nächste Autorenpärchen für euch!!

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